Predigt zum Tod von Johannes Paul II

Liebe Schwestern und Brüder

          
Papst Johannes Paul ist gestorben, gezeichnet von Krankheit, Leid und Schmerz. Auch ER, der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, musste seinen Leidenskelch trinken bis zur Neige. Ja, Krankheit, Leid und Schmerz gehören mit zu den grössten Problemen, die uns Menschen beschäftigen. Trotz ärztlicher Kunst und medizinischer Erfolge steht die Angst an unseren Wegen,  weil wir täglich von so vielen Gefahren bedroht sind, bedroht auf der Strasse, am Arbeitsplatz, usw. Keiner ist da ausgenommen. Jeden kann unvermittelt das Leid treffen. So hat auch unser Kirchenoberhaupt, der Hl. Vater, mit unserem Christus den Berg Golgotha besteigen müssen. Ja, auch wir Christen sind in die Not hineingestellt und suchen nach einer Antwort. Ob es wirklich eine Antwort gibt? Der Heilige Vater hat sie gefunden in der schmerzvollen Nachfolge seines, unseres Jesus, der am Kreuz zwar schmerzerfüllt zum Vater rief : «Vater, Vater weshalb hast auch Du mich verlassen?»,  der aber ausgehalten, durchgehalten hat und nicht vom Kreuz heruntergestiegen ist.

 

Schwestern und Brüder: Ich meine, es gehört zu unserer aller Glaubenserfahrung, dass wir wohl die meisten im Dunkeln stehen müssen, ohne eine Antwort zu bekommen nach dem Weshalb, dem Warum und nach dem Wozu.

 

Dass wir alle aber zumindest «zu stehen» vermögen und nicht unter der Last zusammenbechen, wie unser Hl. Vater nicht zusammengebrochen ist, das verdanken wir nicht der eigenen Kraft.

 

Es ist Geschenk Gottes, es ist Gnade, es ist Frucht des Glaubens. Und dieser Glaube wiederum findet seine Stütze in den Worten der Hl. Schrift, und zutiefst auch in der Passion und Aufersthung unseres Herrn Jesu Christi.

 

Das Feiern der Passion und der Auferstehung des Herrn, an Sonn- und an Werktagen in diesem Gotteshaus, muss in unserer Suche nach einer Antwort zum Tragen kommen, auch dort, wo uns die Antwort nicht voll befriedigt. Im Licht des Glaubens müssen wir uns zum Teil wenigstens trösten, müssen wir Hilfe finden, um am schweren Leid der Stunde, des Hl. Vaters Stunde, in unserer Stunde nicht zu verzweifeln.

 

Nur im Glauben – meine Lieben – werden wir es letztlich schaffen so oft Unbegreifliches auszuhalten, und im Angesicht des eigenen Todes noch auf das Leben zu setzen. Die letzten Worte unsers heimgegangen Hl. Vaters mögen uns als Beispiel dienen.

 

Schwestern und Brüder, gemäss dem biblischen Zeugnis ist das Leid und der Tod eng mit der Sündenverfallenheit des Menschen verbunden, doch wäre es falsch das Leid als Strafe zu betrachten, die uns aufgeladen wird, wegen eigener, persönlicher Schuld.

 

Schliesslich hat ja auch Jesus, der ohne Sünde war; wie wir glauben, unsagbares Leid getragen, ertragen und so unser Leid und unseren Schmerz mit uns geteilt.

 

Und der Evangelist Matthäus sagt im 25. Kap. seines Evangeliums, der Bergpredigt, dass der Herr Jesus es auch heute noch ist, der dürstet, der krank ist und Not leidet. «Wahrlich, ich sage Euch, was ihr auch nur einem von meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.»

 

Meine Lieben, wie der sterbende Hl. Vater vielerlei Hilfen benötigte: das Wissen und die Kunst der Aerzte, die Pflege seiner Betreurinnen und Betreuer, der Schwestern, der Pfleger und die Heilszeichen der Kirche, und unsere Gebete; so werden auch wir einst all diese Hilfen benötigen und sie werden uns wohl helfen, aber es bleibt die Frage, ob sie auch heilen.

 

Das Leid, der Tod, sie bleiben ein Geheimnis, dessen Tiefe wir Menschen nie ergründen werden. Auch wenn wir unsere Fragen an Gott richten, erhalten wir keine Antwort vergleichbar mit einem Rezept. Wir werden weiterhin im Dunkeln stehen müssen, schaffen es aber, so Gott will, dass wir nicht nur stehen, sondern auch weitergehen können.

 

Im Blick auf unseren verstorbenen Hl. Vater und seine Leidbewältigung wird uns gewiss klar, dass es auch heute noch möglich ist, aus der Kraft des Glaubens im Tal der Tränen zu bestehen.

 

Der Hl. Vater hat uns als junger Priester, Bischof und Kardinal, als Papst vorbildlich vorgelebt, dass unser Leben Sicherheit und Ruhe erhält, wenn wir es täglich im Glauben auf Gottes Hilfe zu gestalten suchen.

 

Dass selbst auf ihn gerichtete Gewehrläufe sich gesenkt haben zur Zeit kommunistischer Herrschaft, ist nur eines von vielen erwähnenswerten Ereignissen.

 

Alles, was in unserem Leben, in jedem Augenblick, geschieht – vom ersten Atemzug bis zum letzten – ist von Gott getragen und hat Anteil an jenem letzten Sinn, der das Handeln Gottes ausmacht.

 

Die grossen kirchlichen und politischen Erfolge hat unser Hl. Vater gewiss freudig ausgekostet, aber er hat auch «uns zum Vorbild» seinen Kreuzweg nicht fatalistisch hingenommen, sondern hat ihn vielmehr in tiefem Glauben durchgetragen nach Golgotha, wo nun in diesen vergangenen Tagen nicht nur der Hauptmann, sonderm Millionen bekennen, bekannt haben: DIES WAR WAHRHAFT DER STELLVERTRETER JESU Christi unseres Herrn.

 

Wie unserem verstorbenen Hl. Vater, Papst Johannes Paul II, das Leben selbst im Tod gelang, wenn wir an die Millionen denken, die um ihn trauern, getrauert haben, so möge es auch uns allen gelingen unser Leben zu gestalten in wahrer Nachfolge des Herrn.

 

AMEN.

 

 

Von Pater Josef Vögtli MFS, Weesen, 8. April 2005